Beritt
Über die Jahrzehnte lernten wir sehr viel von unseren Pferden und konnten dieses Wissen an viele Pferde weitergeben, die uns anvertraut wurden. Genauso wie an unsere eigenen Tiere.
Wir lernten Geduld. Alles braucht seine Zeit. Jeder Schritt, der zu schnell gemacht wird, wirft einen drei Schritte zurück. Und es gibt keine „Methode“, die funktioniert – jedes Pferd ist individuell und braucht eigene Lernmethoden.
Mental ist jede Überforderung ein Trauma, die Pferdchen lernen, dass die Arbeit mit Menschen bestenfalls kein Spaß macht. Im schlimmsten Fall lernen sie sich zu wehren und vielleicht sogar, dass sie stärker sind als so ein Menschchen – ein Problempferd ist geboren!
Körperlich werden durch frühes und falsches Anreiten irreparable Schäden angerichtet.
Die Wirbelsäule eines Pferdes ist die letzte Knochenpartie, die ausgewachsen ist – mit sechs Jahren!
Nicht umsonst werden in den alten Hofreitschulen die Pferde an der Hand bis zur Hohen Schule ausgebildet, ehe jemand in den Sattel steigt. Das Training beginnt mit Vierjährigen und dauert im Schnitt sechs Jahre, bis sie in der Schulquadrille eingesetzt werden.
Unsere eigenen Pferde hatten wir seit vielen Jahren frühestens mit 6 Jahren angeritten. Nach mindestens einem Jahr Bodenarbeit – zwei bis viermal pro Woche und bergige Koppeln mit Wald und Bachlauf 24/7 in der Herde. Es wurden ausnahmslos zuverlässige, motivierte, menschbezogene und feine (Schul)Pferde!
Was wir noch nie machten, war ein Dreimonatepressberitt mit anschließend fünfminütiger Übergabe des Pferdes an die Besitzer. Bei uns gaben immer die Pferde das Tempo und das Programm vor, die Besitzer wurden von Anfang an mit einbezogen – um mit dem Pferd zusammen zu lernen, die Entwicklungsschritte mitzubekommen, eine Beziehung zu ihrem Pferd aufzubauen und Sicherheit im Umgang zu bekommen. Schließlich war das Ziel des Beritts nicht, dass wir möglichst tolle Manöver mit dem Pferd vorführen konnten, sondern dass der Besitzer eine vertrauensvolle Basis bekommt, um mit seinem Tier eine erfüllte und freudvolle Partnerschaft eingehen zu können!
Oft wurden wir gefragt, ob wir ein Pferd „richten“ können. Nein … – Pferde sind keine Computer, sie können nicht programmiert werden. Egal, wie gut ein Pferd ausgebildet wurde, wenn der Besitzer ihm nicht die nötige Sicherheit im Umgang gibt, oder unsensibel im Sattel rumholzt, wird es verzweifeln und zum Problempferd werden. Jeder Korrekturberitt ist sinnlos, wenn der Besitzer nicht gewillt ist, an dem zu arbeiten, was das Pferd zum Problem werden ließ (nämlich an sich selbst).
Und das Potential seines Pferdes ausschöpfen kann nur, wer sich auch während des Beritts mit der Entwicklung seines Pferdes beschäftigt und gleichzeitig stetig sein eigenes Können entwickelt und verfeinert. Wer diese Ehrlichkeit nicht vertragen konnte, war bei uns fehl am Platz …
Inzwischen hat der Zahn der Zeit auch bei uns das ein oder andere Zipperlein verursacht. Wir haben realistisch gesehen nicht mehr die Athletik um Pferde anzureiten. Was wir haben, ist ein halbes Jahrhundert Erfahrung, und die geben wir gerne weiter. Wir können unser Knowhow zur Verfügung stellen, damit Sie ihr Pferd selbst anreiten und ausbilden können – aber Beritt und Korrekturpferde machen wir nicht mehr …das überlassen wir nun gerne den jungen Wilden und sind dankbar, diese Zeiten überlebt zu haben …